Color Esperanza e.V. goes Reverse –
Von Benjamin Schwab
„Sie sind da! Sie sind da! Schnell alle in den Hof zur Begrüßung!“, tönt es durch das Treppenhaus. Gut 50 junge Menschen strömen aus dem Pfadfinderhaus in Gengenbach im Schwarzwald, um dem soeben vorgefahrenen dunkelblauen VW-Bus einen gebührenden Empfang zu bereiten. Marleni, Milagros, Evelyn und Maycol, die vier jungen Peruaner aus Lima und Sicuani (Süd-Peru), sind den Tränen nahe, als sie aussteigen und so euphorisch willkommen geheißen werden, ebenso die Wartenden. „¡Bienvenidos!“, „¡Qué emoción!“, „Zum Glück ist alles gut gegangen!“, ist zu hören.
Mittlerweile das dritte Jahr in Folge ist „alles gut gegangen“ und zum dritten Mal können wir vom Verein “Color Esperanza e.V.” mit unserem Programm “VAMOS!” junge Freiwillige aus Peru in Deutschland empfangen. Ein schöner Zufall, dass die Ankunft der diesjährigen VAMOS!-Freiwilligen genau auf das Wochenende der Jahreshauptversammlung und des fünfjährigen Vereinsjubiläums von Color Esperanza gefallen ist.
Obwohl tausende deutsche Jugendliche jedes Jahr als weltwärts-Freiwillige, “Missionare auf Zeit” oder Friedensdienstleistende in die Länder des Südens fliegen, ist ein Freiwilligendienst in Deutschland für junge Menschen aus sogenannten Entwicklungsländern immer noch äußerst ungewöhnlich und mit unverhältnismäßig hohen Hürden verbunden.
Wir von Color Esperanza e.V. haben diese Hürden genommen und sind, mit aller Bescheidenheit, stolz darauf, wenn auch - oder gerade weil - der Weg bisher kein leichter war und weiterhin steinig ist.
Doch nun einmal von Anfang...
Color Esperanza e.V. wurde im Jahr 2006 von einer Gruppe ehemaliger Peru-Freiwilliger des Voluntario-Programms der Erzdiözese Freiburg gegründet. Damals wie heute verbindet uns die intensive Lernerfahrung eines Freiwilligendienstes in einer sozialen Einrichtung in Peru und die Frage, wie wir diese Erfahrungen nach unserer Rückkehr nach Deutschland teilen und fruchtbar werden lassen können.
Als kleine Gruppe begannen wir, Vorträge an Schulen und bei Eine Welt-Kreisen zu halten, um von unseren Erfahrungen zu berichten. Diskussionen über Armut und globale Ungerechtigkeit sowie der Wunsch, selbst einen Beitrag zu einer gerechteren Welt zu leisten waren von Anfang an Thema bei Color Esperanza e.V. Wir begannen uns in der „Kampagne Bergwerk Peru – Reichtum geht, Armut bleibt“ zu engagieren und bildeten uns auf verschiedene Weise entwicklungspolitisch weiter.
Mit jedem Rückkehrerjahrgang wuchs unser kleiner Verein. Bald stießen auch ehemalige Freiwillige anderer Entsendeorganisationen und in Deutschland lebende Peruanerinnen und Peruaner dazu. Und gewisse Fragen wurden mit immer größerem Nachdruck gestellt:
- Wie kann man in der Entwicklungszusammenarbeit von globalem Lernen und Partnerschaft auf Augenhöhe sprechen, wenn die Strukturen immer noch asymmetrisch und von Paternalismus geprägt sind?
- Warum haben deutsche Jugendliche die Chance, so wertvolle und bereichernde Erfahrungen in einem anderen Kulturraum zu sammeln, obendrein mit dem Anspruch entwicklungspolitischer Bewusstseinsbildung, und warum haben peruanische Jugendliche genau diese Chance nicht?
Gewiss, das sind Fragen, mit deren Beantwortung man ganze Bücherregale füllen könnte, Bücherregale die bereits existieren, die dennoch aber kaum zu Veränderungen geführt haben. So machte sich Color Esperanza e.V. auf den Weg, zuversichtlich unterwegs Antworten zu finden. Erste Konzepte wurden ausgearbeitet, Kooperationspartner und Fachexpertise gesucht. Eine Finanzierung war auch notwendig. In der Fachstelle Freiwilligendienste/Friedensdienste der Erzdiözese Freiburg, selbst langjährige Entsendeorganisation für deutsche Freiwillige nach Peru, fand Color Esperanza e.V. für die ersten Jahre einen starken Partner. Das VAMOS!-Programmiv von Color Esperanza e.V. war geboren. Im September 2009 konnten die ersten beiden VAMOS!-Freiwilligen ihren Freiwilligendienst im Raum Freiburg antreten.
Mit Marleni, Milagros, Evelyn und Maycol sind in diesem Jahr zum ersten Mal vier junge Menschen aus Peru für ein Jahr nach Deutschland gereist.
Die VAMOS!-Freiwilligen wohnen für die Dauer ihres Dienstes in der Regel in deutschen Gastfamilien, was einen interkulturellen Austausch auf beiden Seiten fördert und den Jugendlichen hilft, rasch soziale Strukturen kennenzulernen und an ihnen teilzunehmen. Ihren Freiwilligendienst leisten sie in sozialen Einrichtungen, wie Kindertagesstätten, Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder Krankenhäusern. Begleitend nehmen sie gemeinsam mit deutschen Jugendlichen an den FSJ-Seminaren von Caritas teil und bearbeiten auf von Color Esperanza e.V. speziell konzipierten Seminartagen explizit Themen des globalen Lernens. Ein mehrköpfiges Team des Vereins begleitet die Freiwilligen vor Ort und bereitet die Ankunft des folgenden Jahrgangs vor. Ausgewählt werden die Freiwilligen ca. ein dreiviertel Jahr vor Beginn des Dienstes derzeit über die Strukturen der Peru-Partnerschaft der Erzdiözese Freiburg. Eine ehemalige deutsche Freiwillige, die seit einiger Zeit in Peru lebt und arbeitet, bereitet sie über mehrere Monate hinweg intensiv vor.
Angesichts der großen Verantwortung gegenüber den Freiwilligen und des hohen Anspruchs von Color Esperanza e.V. an die Qualität des Programms einigten wir uns auf der Jahresversammlung 2010 (unsere “Zukunftskonferenz”) darauf, VAMOS! zum Herzstück unseres Vereins zu machen. Die übrigen Arbeitsgruppen konzentrierten sich fortan darauf, dem Programm zu zuarbeiten. Zur Finanzierung muss verstärkt Fundraising betrieben werden, eine aktuelle Website sowie Presseartikel sollen die Öffentlichkeit über unsere Arbeit informieren. Die politische Arbeitsgruppe organisierte zudem in diesem Herbst ein Wochenendseminar zum Austausch und zur Vernetzung mit anderen Rückkehrervereinen und Fachleuten, um nach Möglichkeiten zu suchen, Reverse-Programme in Deutschland auf ein breiteres, auch politisches, Fundament zu stellen.
Der Ausdruck VAMOS!v war für Color Esperanza e.V. von Anfang an Programm. Doch ist es uns wichtig, dass dieses “Gehen” und “Dinge anpacken” kein blindes, zielloses Losrennen ist, sondern vielmehr ein enthusiastisches, aber aufmerksames Voranschreiten. Das VAMOS!-Programm, wie es heute besteht, ist nicht die Antwort auf all unsere Fragen, aber es ist eine Antwort, die wir so momentan geben können. Viele neue Fragen stellen sich uns immer wieder auf diesem Weg. Für neue Antworten und Anstöße sind wir jederzeit offen und dankbar. Derzeit befindet sich Color Esperanza e.V. beispielsweise intensiv auf „Partnersuche“ in Peru. Wir suchen zivilgesellschaftliche Organisationen bzw. politisch aktive NGOs in Peru, die Interesse haben, ein gemeinsames Freiwilligenprogramm mit uns weiterzuentwickeln, um echte Augenhöhe herzustellen und paternalistische Strukturen weiter abzubauen.
Wir sind davon überzeugt, dass junge Menschen aus unterschiedlichen Erdteilen und mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten, die sich auf Augenhöhe begegnen und voneinander lernen, nachhaltig zur Entstehung einer globalen Zivilgesellschaft und einer sozial gerechteren Welt beitragen. Darum tun wir, was wir tun: Vamos!